Datengetriebenes Marketing & hybride Verkaufsmodelle im Einzelhandel
Interview mit Simon Bühl (Gründer und GF BrandUp Factory)
2019 gründete Simon Bühl die Digitalisierungsagentur BrandUp Factory. Die Agentur hilft Kunden wie Elkline und Katadyn seitdem dabei, mit datengetriebenem Marketing die eigene Brand zu stärken und zu wachsen. Mit einer Spezialisierung auf E-Commerce und Kontakt zum stationären Handel ist Simon der ideale Ansprechpartner für die Verzahnung von Online- und Offline Geschäft. Im Interview erzählt er, warum stationärer Handel und Online-Shops voneinander profitieren sollten und wie sich Unternehmen aus dem Einzelhandel für die Zukunft aufstellen sollten.
Simon Bühl ist Gründer und Geschäftsführer der BrandUp Factory. Sein Weg zum datengetriebenen Marketing führte ihn über ein begonnenes Studium der Kunstgeschichte zur Versicherungsbranche und schließlich zu Hypoport in Lübeck, einem der größten Fintechs in Deutschland. Hier brachte er sich das Programmieren selbst bei, schrieb Skripte, mit denen er seine Tätigkeiten im Vertriebscontrolling automatisierte. Als jemand, der immer den Status Quo in Frage stellt und den Weg nach vorne sucht, wurde Simon über Stationen als Team- und Gruppenleiter schließlich Geschäftsführer von fünf Tochterfirmen bei Hypoport. Schließlich kam der Wunsch nach einem eigenen Unternehmen als logische Konsequenz aus dem Anspruch, Prozesse aktiv selbst zu gestalten und dynamisch zu verändern. Somit kam 2019 die Gründung von BrandUp Factory. Mit der BrandUp Factory als Digitalisierungsagentur unterstützt Simon seine Kunden mit datengetriebenem Marketing beim Markenaufbau und Wachstum im Digitalisierungsumfeld.
Simon, du bist Gründer und Geschäftsführer der Digitalisierungs-Agentur BrandUp Factory und betreust erfolgreich Lifestyle- und E-Commerce Kunden im Online- und Offline-Umfeld. Vor welchen Herausforderungen stehen eure Kund:innen und wie unterstützt ihr sie dabei?
Grundsätzlich merken wir, dass der Konkurrenzdruck im Digitalisierungsumfeld stetig zunimmt. Die Innovationskraft und Geschwindigkeit, mit der neue Unternehmen sich im digitalen Umfeld platzieren sorgt dafür, dass man ganzheitliche und datengetriebene Strategien braucht, um erfolgreich E-Commerce zu betreiben.
Wir holen Kunden dabei an verschiedenen Punkten ihrer Reise ab. Einige haben bereits eigene Erfahrungen gesammelt, andere beispielsweise sind noch eher in der analogen Welt zuhause und haben sich wenig mit E-Commerce und Online-Präsenz beschäftigt. Sie stehen vor der Herausforderung, in einem wettbewerbsstarken Umfeld ihr Unternehmen auszubauen und eine effektive Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Dabei helfen wir ihnen. So haben wir zum Beispiel mit Katadyn (Anbieter von Outdoor-Equipment) gemeinsam einen eigenen B2C- und auch B2B-Shop inklusive Omnichannel-Marketing-Strategie entwickelt und arbeiten zusammen an deren Plattformstrategie, um im europäischen und internationalen Markt neue Anteile zu gewinnen. Hier und auch bei anderen Kunden profitieren wir von einer Symbiose aus Bestandsplanung und datengetriebenem Marketing. Dadurch, dass wir die Lagerbestände kennen, können wir Marketingmaßnahmen noch zielgerichteter aussteuern und beispielsweise mit E-Mail-Marketing kombinieren.
Welchen Herausforderungen begegnet ihr sonst noch?
Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass sie ihre Kunden nicht genau kennen. Oder sie steuern ihre Aktivitäten nach Annahmen über die Kunden, die aber nicht von Daten untermauert werden. Hier gibt es oft eine Diskrepanz zwischen der Vermutung und den Daten, die zeigen wer der Kunde tatsächlich ist. Durch eine genaue Analyse und entsprechende Umstellung der Marketingmaßnahmen erzielt man hier schnell eine Wirkung. So war es auch bei unserem Kunden Elkline – ein nachhaltiger Modeanbieter im Outdoor-Bereich. Mit unserer Zielgruppenanalyse konnten wir den Customer Lifetime Value noch genauer bestimmen. Nach unserer Analyse haben wir den Google Ads Account erst einmal auf links gedreht und Ad-Kampagnen smarter gestaltet. Dadurch, dass wir Kunden ganzheitlich betreuen und die Daten rundum im Blick haben, schalten wir auch gezielt Kanäle ganz ab, um Budget an anderer Stelle gewinnbringend einzusetzen. Wir können nun auch das Verhalten im Online Shop mit dem Verhalten im E-Mail Marketing zusammenlegen und die Daten für eine effektive Marketingstrategie nutzen.
Hat nicht inzwischen jedes Unternehmen entsprechende Kundendaten zur Verfügung?
Viele Unternehmen arbeiten natürlich bereits mit CRM-Systemen und nutzen Kundendaten. Inzwischen ist technisch fast alles möglich im datengetriebenen Marketing. Die umfangreiche Tool-Landschaft erlaubt es einem, auch ohne viel Vorkenntnisse datenbasiert zu arbeiten. Die Herausforderungen liegen in den Ideen und Regeln zur Umsetzung einer datengetriebenen Digitalstrategie. Um Daten sinnvoll nutzen zu können, muss man erstmal eine Grundlage schaffen und die Daten sauber kriegen – Regeln schaffen. Das ist oftmals schon der schwerste Schritt. Aus meiner Erfahrung im Entwickeln von Apps und Erstellen von Kundenverträgen kann ich sagen, dass die Datenqualität oft vernachlässigt wird. Artikelnummern weichen voneinander ab, Produktbeschreibungen werden unzureichend formuliert oder die Inhalte aus Freitextfeldern lassen sich aufgrund von fehlender Autovervollständigung nicht verwerten. Besonders kritisch wird es, wenn mehrere Systeme kombiniert werden müssen, zum Beispiel Subunternehmen bei Versicherungen, die zusammenwachsen müssen.
Erst wenn Unternehmen saubere Daten haben und Systeme, die miteinander reden, lassen sich datengetriebene Maßnahmen mit einer echten Hebelwirkung umsetzen.
Für den Kunden Elkine haben wir beispielsweise die Ad-Kampagnen smarter gestaltet, indem wir die Aussteuerung von Anzeigen zu Regenjacken über Wetterdaten laufen lassen. In Regionen mit prognostiziertem Regen werden automatisiert die Budgets hochgefahren. Das wäre manuell nicht umsetzbar und funktioniert nur mit Daten Automatisierungen.
Aus der Datensäuberung erhält man außerdem einen Erkenntnisgewinn über seine Kunden. Das hilft, um den Customer Lifetime Value zu bestimmen. Wer diese Erkenntnisse nicht nutzt, verpasst echte Chancen. Bei unserem Kunden Klean Kanteen war es beispielsweise so, dass sich die Marke eigentlich eher als Lifestyle Brand verstanden hat und entsprechend inszeniert hat. Ein Blick auf die Daten – in diesem Fall in Form von Kundenfotos der Produkte – zeigte jedoch einen harten Kern von sogenannten Preppern, die Flaschen übers Feuer halten! Nur wenn ich die Kund:innen kenne und weiß, wo sie sich in Bezug auf die eigene Marke befinden, sind dynamische Segmentierungen und Churn Risk Predictions (Vorhersage über das Abwanderungsrisiko von Kunden) möglich. Wir verschwenden also kein Geld mit fehl platzierten Anzeigen, sondern holen Kund:innen genau dort ab, wo sie sich gerade befinden.
Stichwort Autovervollständigung: Hilft sie bei der Steigerung der Datenqualität?
Sie hilft nicht nur bei der Datenqualität. Umso mehr Kund:innen machen müssen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie abspringen. Kund:innen werden immer bequemer und Abkürzungen wie Paypal Express und Google Pay helfen, sie zum Kauf zu führen. Wenn wir uns das Paradebeispiel Amazon anschauen, dann ist recht schnell klar, dass Kunden dort aus Bequemlichkeit kaufen. Obwohl der Online-Shop eigentlich nicht besonders schön ist, lassen sich Millionen Käufer darauf ein. Der Kaufabschluss ist so schnell, dass Amazon Kund:innen gar nicht die Chance haben, nochmal zu überlegen. Wer eine Chance haben will, im E-Commerce Umfeld zu bestehen, sollte Kund:innen den Kauf ebenfalls so bequem wie möglich machen.
Wie erlebt ihr bzw. eure Kunden den Shift vom stationären Handel zum E-Commerce und wie sollten sich Marken aufstellen?
Wir kennen beide Seiten, da wir auf E-Commerce spezialisiert sind und gleichzeitig viel Kontakt zum stationären Handel haben. Wir ziehen viele Insights aus den betriebenen B2C-Shops, unser Kunde Elkline hat aber auch eigene stationäre Geschäfte.
Wir erleben natürlich, dass der E-Commerce stark zugenommen hat. Insbesondere nach den Lockdowns stieg die online Nachfrage bei Klean Kanteen und Katadyn stark an, letztendlich sieht man den Trend auch an den vollen Papiercontainern auf den Straßen. Der stationäre Handel hat hingegen extrem gelitten. Der Handel verlagert sich stärker ins E-Commerce, das lässt sich auch an den wachsenden Suchanfragen nachvollziehen. Dennoch ist ein Online-Shop nicht immer die Lösung, da der Konkurrenzdruck ebenfalls steigt. Die Goldgräberstimmung, wie wir sie noch vor einigen Jahren erlebt haben, ist jetzt definitiv vorbei. Inzwischen kann man ohne Vorkenntnisse einen E-Commerce-Shop aufbauen, dadurch steigt auch der Druck im Marketing-Mix und man kann nicht mehr einfach blind Anzeigen-Budgets ausgeben. Somit raten wir auch unseren Kunden, genau zu hinterfragen, welche Kanäle man nutzt. Wir sehen außerdem eine große Chance in der Symbiose aus online und offline Handel und sehen die beiden Vertriebswege nicht im Wettbewerb zueinander. Offline profitiert sogar von online.
Inwiefern kann der stationäre Handel vom Onlineshop profitieren?
Wir haben im Online Vertrieb ganz andere Kennzahlen und Volumen als im stationären Handel. So können Erkenntnisse aus großen Datenmengen für kleine Shops genutzt werden. Diese Insights nutzen wir, um Händlern Produkte zu empfehlen, die sie in den Laden stellen sollten, basierend auf 10.000 Daten, die im Online-Shop ermittelt wurden.
Außerdem profitieren kleinere Händler von größeren in der Nähe, das gilt online und offline. Wenn größere Läden Werbung ausspielen, dann nützt das auch kleinere Läden in der Nähe. Umso besser Produkte und Marken online auf Plattformen dargestellt werden, desto größer ist die Chance, dass Kunden in den Laden kommen, weil sie sich für das Produkt interessieren und es testen oder anfassen wollen. Die Customer Journey schließt also Touchpoints online und offline mit ein.
Wie gestaltet sich dann die Customer Journey bei hybriden Marken im Gegensatz zu E-Commerce-Unternehmen?
Bei einem hybriden Verkaufsmodell gibt es andere Optionen als im reinen E-Commerce: Man kann die ganze Customer Journey anders denken. Wenn beispielsweise Größen im Handel nicht verfügbar sind, könnten Gutschein-Codes für den Online-Shop vergeben werden. In einer idealen Welt bekäme der Händler dann auch stationäre Provisionen, damit wird auch der letzte Digitalmuffel im stationären Handel abgeholt.
Man könnte sogar soweit gehen, dass die Produkte nur noch zum “Erleben” im Store ausgestellt werden und dann online versandt werden. Eine sinnvolle Verknüpfung von online und offline sind außerdem Online-Werbeanzeigen für regionale Angebote, dafür haben lokale Shops oft gar kein Budget.
Während des ersten Lockdowns haben wir für Elkline beispielsweise die Aktion “Support your local Dealer” ins Leben gerufen, bei der wir Online-Umsätze über Codes einzelnen Stores zugeordnet haben und so mit dem E-Commerce auch den stationären Handel gestützt haben.
Das hört sich so an, als ob du die Zukunft eher im Hybridmodell siehst. Wo geht deiner Meinung nach die Reise im Einzelhandel hin?
Ich denke die Zukunft des Einzelhandels liegt in einer Kombination von Online und Offline, also bei dem hybriden Verkaufsmodell. Wenn man an Mobilitätskonzepte der Zukunft denkt, stellt sich auch die Frage, wie die Leute beispielsweise in autofreien Innenstädten einkaufen, wenn die Einkaufstüten nicht mehr ins Auto geladen werden. Das Hybridmodell macht meiner Meinung nach in dem Kontext sich verändernder Innenstädte Sinn. Der stationäre Handel bietet andere Möglichkeiten, um die Wertigkeit von Produkten zu erfahren. Das ist online heute noch nicht möglich - nicht einmal im entstehenden Metaverse.
Solange wir nicht in der Lage sind, die Produkte auch online haptisch zu erfahren, behält die Position des stationären Handels ihre Relevanz - vorausgesetzt, sie wird neu gedacht. Vielleicht werden die Produkte künftig auch mit Drohnen nach Hause geliefert.
Was sollten Marken jetzt tun, um sich für die Zukunft gut aufzustellen?
Marken sollten sich jetzt fragen, wo man in fünf bis zehn Jahren stehen will. Man muss sich auf Hybridmodelle einlassen und um sein Online-Business kümmern. Es ist wichtig Partner mitzunehmen, beispielsweise B2B-Shops, die einem als Händler Empfehlungen aussprechen. Außerdem empfehle ich, eine Community um die eigene Marke aufzubauen und beispielsweise einen Newsletter für Händler aufzusetzen, mit Produktempfehlungen, die sich aus den Auswertungen der Online-Shops ergeben. Warum sollte man im stationären Handel und E-Commerce auch gegeneinander arbeiten!
Und vor allem sollte trotz der technologischen Möglichkeiten im datengetriebenen Marketing nie die Marke vernachlässigt werden. Wir verzichten beispielsweise auch bewusst darauf, für Elkline Warenkorbabbrecher anzusprechen, obwohl es ein guter Performance-Hebel wäre. Aber es passt eben nicht zur Brand. Voraussetzung für nachhaltigen Erfolg ist, dass man nahe an der Marke bleibt. Letztendlich sind die Brand und ihre Werte das, was einen in den Augen der Kunden von anderen Anbietern unterscheidet. Wenn man das nicht mehr lebt, wird man austauschbar.
Weitere Informationen zu Lösungen für hybride Verkaufsmodelle finden Sie hier:
Google Maps Lösungen für den EinzelhandelBrandUp Factory
Seit 2019 betreut BrandUp Factory Kunden wie Elkline, Katadyn oder Klean Kanteen bei dem Aufbau von Digitalstrategien und datengetriebenem Online Marketing und verhilft Marken zu einem starken Wachstum im digitalen Umfeld. Von der Datenstrategie bis zur Betreuung der E-Commerce Shops setzt Brand Up Factory auf langjährige und ganzheitliche Kundenbetreuung.