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Insights

Smarte Städte von morgen

Teil 1: Geodaten für mehr Lebensqualität, basierend auf dem Fachbeitrag von Jens Wille in Transforming Cities 04-2021

Wenn es um die aktive Gestaltung von Lebensraum und die Verbesserung von Lebensqualität in Städten geht, sind datenbasierten Anwendungen keine Grenzen gesetzt. Der technologische Dreiklang aus Data Analytics, Location Intelligence und Cloud Computing ermöglicht es, ortsbezogene Daten zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten zu nutzen. Welche Anwendungen möglich sind, zeigen wir anhand der folgenden Anwendungsfälle. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit den sozialen Faktoren und Potentialen von Geodaten für die Smart City von morgen. In Teil zwei zeigen wir weitere Anwendungsbeispiele im Bereich der Mobilität und in Teil drei widmen wir uns dem Thema der Krisenprävention mittels Location Intelligence.

Präzise Daten als Grundlage für Smart Cities

Wenn es darum geht, das Leben in Städten nachhaltig und intelligent zu gestalten, ist eine präzise Untersuchung des Status Quo unverzichtbar. Idealerweise werden die Untersuchungen mit historischen Daten und prädiktiven Analysen kombiniert. Die hierfür notwendigen Informationen liegen häufig schon vor – allerdings werden sie noch selten miteinander in Zusammenhang gebracht. Statistiken, künstliche Intelligenz, Sensoren, Kommunikationstools: Sie alle liefern Daten, aus denen Stadtverwaltungen und Dienstleister die Bedürfnisse der Einwohner:innen ableiten und so besser auf sie eingehen können. Mit einer Art neuronalem Netz, das auf einer technologischen Infrastruktur zum Sammeln und Auswerten von Daten basiert, wird aus einer Stadt eine Smart City. 

Dabei sollte man jedoch stark unterscheiden, welche Arten von Daten gesammelt werden: Während asiatische Metropolen wie zum Beispiel Singapur oder Songdo anhand von Überwachungskameras, -mikrofonen, Gesichts- oder Kennzeichen-Scannern individuelle Bewegungsprofile erstellen können, steht in Europa die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz an erster Stelle. Hier werden nur anonyme, nicht personenbezogene Daten gesammelt – wie zum Beispiel Geoinformationen oder die Auswertungen eigens angebrachter Sensoren. Diese können zum Beispiel Fragen beantworten wie „Ist der Müllcontainer voll? Ist die Erde zu trocken? Ist der Parkplatz belegt?“ etc. Völlig unabhängig von persönlichen Daten lassen sich damit wichtige Erkenntnisse für die Ressourcen- und Kapazitätsplanung städtischer Einrichtungen und Dienstleistungen gewinnen. 

Mehr Transparenz und Teilhabe für Bürger:innen

Bei gesellschaftlich komplexen Themen gibt es oft viele verschiedene Meinungen. Wer Menschen für seine Belange gewinnen und ihr Verhalten beeinflussen möchte, muss mit klaren, verständlich aufbereiteten Inhalten und Fakten überzeugen. Genau an dieser Stelle kommen Datenanalysen ins Spiel, die im Idealfall intuitiv verständlich und interaktiv aufbereitet sind. Im Bereich der ortsbezogenen Daten sind hierfür Karten prädestiniert: Karten bringen die Geoinformationen in einen Kontext, machen sie erlebbar und haben dadurch das Potenzial, Anwender:innen zu begeistern. Sie zeigen Zusammenhänge auf und helfen dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die interaktive Klimakarte der ARD: Unter www.ard-klimakarte.de wird die Entwicklung von Temperatur und Niederschlag für die vergangenen 60 Jahre sichtbar. Über einen Regler können Prognosen bis ins Jahr 2100 getroffen werden – in zwei Szenarien: ohne Klimaschutz und mit starkem Klimaschutzengagement. Ein ähnliches Ziel verfolgt die Plattform Climate from Space der Europäischen Weltraumorganisation (ESA): Sie basiert auf einer wissenschaftlichen Datenbank, deren Inhalte als Webanwendung für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Wo früher Daten heruntergeladen und aufwändig verarbeitet werden mussten, können nun Nutzer:innen mit den unterschiedlichsten Vorkenntnissen das Klima erforschen und komplexe Zusammenhänge verstehen: Warum spielt das Meer für die Hitzeregulation auf unserem Planeten eine zentrale Rolle? Was passiert, wenn das Polareis bricht? Wie wirkt sich die Nutzbarmachung von Land auf die CO2-Emissionen aus? Für die intuitive Lernplattform wurden enorme Mengen an Satellitendaten aufbereitet und leicht verständlich dargestellt. 

Ähnliche Anwendungen sind auch zum Thema Städteplanung oder Verkehr möglich. Im Rahmen des EU-Projektes smarticipate hat das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD zum Beispiel eine Plattform entwickelt, mit der Bürger:innen online Ideen für die Gestaltung der eigenen Nachbarschaft einreichen oder sich an politischen Entscheidungen und Planungsprozessen ihrer Stadt beteiligen können. Das Besondere daran: Durch die Anbindung an die Datenquellen der Stadtplanung erhält jede Einreichung eine direkte Rückmeldung zu ihrer tatsächlichen Umsetzbarkeit. So konnten Hamburger:innen beispielsweise Standorte für neue Baumpflanzungen im Stadtgebiet vorschlagen – und bekamen daraufhin umgehend Feedback: Sind neue Bepflanzungen mit der bestehenden Nutzung der vorgeschlagenen Fläche vereinbar? Welche Baumarten können dort gepflanzt werden? Welchen Beitrag liefern sie für die CO2-Einsparungsbilanz der Stadt bzw. wirkt sich eine neue Pflanzung evtl. negativ auf das Solarpotenzial benachbarter Häuser aus? Anschauliche 3D-Visualisierungen und leicht bedienbare Feedback-Funktionen versachlichen hier politische Entscheidungen und unterstützen den Dialog in städtebaulichen Planungen. Denn auch Transparenz und Bürgerbeteiligung gehören zu den Kernfaktoren einer lebenswerten Smart City.

  • Klimakarte für die ARD
  • Climate from Space Anwendung für die ESA

Steigerung der Lebensqualität in Städten anhand von sozialen Faktoren

Wenn es um die Lebensqualität in Städten geht, dürfen soziale Faktoren wie die persönliche Sicherheit oder der Schutz Hilfebedürftiger keinesfalls vergessen werden. Und auch hier kann die Zusammenführung, Analyse und Visualisierung ortsbezogener Daten einen relevanten Beitrag leisten. Zwei Beispiele: 

Um herauszufinden, wie (un-)sicher sich Mädchen und junge Frauen in deutschen Städten fühlen, gab die Kinderrechtsorganisation Plan International eine “Safer Cities Map” in Auftrag, in der Nutzer:innen acht Wochen lang positive und negative Erfahrungen eintragen konnten – selbstverständlich ohne Speicherung personenbezogener Daten. Das Projekt diente auch als Anstoß für positive Veränderungen in den Bereichen Stadtplanung, Architektur oder öffentlicher Nahverkehr.

Etwas zu essen, einen Schlafplatz, Beratung oder medizinische Versorgung: Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen benötigen schnelle, unbürokratische Hilfe. Damit das künftig bundesweit schnell und einfach möglich ist, hat die Hilfsorganisation Karuna gemeinsam mit uns die Mokli-App entwickelt, die deutschlandweit alle wichtigen Anlaufstellen für Jugendliche in Notsituationen anzeigt. Über die interaktive Karte werden umliegende Beratungs- und Notschlafstellen, Essensausgaben oder Tageseinrichtungen ganz leicht auffindbar, über jegliche sprachliche oder soziale Barriere hinweg. 

Safer Cities Map für Plan International

Dieser Artikel basiert auf dem Fachartikel von Jens Wille in dem Magazin Transforming Cities und ist der erste von drei Teilen unserer Reihe zum Thema "Smarte Städte von morgen".

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