„Wir profitieren alle, wenn unsere Städte wieder durchatmen“
Ein Interview mit dem Geodaten-Experten Jens Wille zur Frage, wie die Parkraumsensoren der Telekom Städte smarter machen.
Seit Frühjahr 2020 stattet der Bereich Urbane Mobilität / Smart City Deutsche Telekom Parkplätze deutscher Städte und Gemeinden in unterschiedlichen Projekten mit smarten Sensoren aus. Ziel ist es, Einsichten in die Nutzung des Parkraums zu erhalten, um so den Parksuchverkehr zu reduzieren und die Städte langfristig lebenswerter zu machen. Spitzenreiter mit bald 1.000 installierten Parksensoren ist derzeit Hamburg, weitere Städten werden folgen. Im Interview spricht Jens Wille, Geodaten-Experte und Geschäftsführer von Ubilabs, der das Projekt gemeinsam mit der Telekom realisiert, über die Sichtbarmachung von Parkraumdaten, die Neuverhandlung des städtischen Raums und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Interview: Angelika Brandt
Herr Wille, Sie und Ihr Unternehmen Ubilabs sind seit zwei Jahren Projektpartner der Telekom. Worin genau besteht Ihr Part in der Zusammenarbeit?
Während die Telekom die Sensoren platziert, kümmern wir uns darum, die Parkraumdaten sichtbar, nutzbar und erfahrbar zu machen. Etwas technischer ausgedrückt: Wir sind mit dem Aufbau einer Echtzeit-Datenpipeline und mit der Analyse und Visualisierung der Daten beauftragt. Aktuell, in der ersten Stufe, geht es um die Anzeige der Ist-Situation auf einem Dashboard. Da können die Anwender:innen Statistiken einsehen oder die Auslastung über den Tag verfolgen. Die Parkraumdaten setzen wir für mehrere Personas um: Hierzu zählen der Anwohner, der wissen möchte, ob ein Parkplatz frei ist, und der Ordnungshüter, der überprüft, ob die Höchstparkdauer eingehalten wird. In Zukunft könnte er auch Hinweise erhalten, an welchen Orten die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten der Parkdauer besonders hoch ist. In Zusammenarbeit mit der jeweiligen Stadt erstellen wir dann weitere Personas.
Das Projekt soll in den nächsten Jahren diverse weitere Städte umfassen. Wird sich die Mobilität dadurch verändern?
Unser Ziel ist es, dazu beizutragen, den Verkehr zu entzerren, sodass die Städte lebenswerter werden. Die Parkplatzsuche macht in Deutschland derzeit 30 bis 40 Prozent des innerstädtischen Verkehrs aus. Parklücken sind somit ein kostbares Gut, das künftig eher noch knapper und teurer wird. Umso wichtiger ist hier Transparenz. Als Autofahrer möchte ich wissen, wie meine Chancen stehen, an einem bestimmten Ort parken zu können, oder ob ich vielleicht lieber mein Auto gleich stehen lasse und ein anderes Verkehrsmittel nehme. Wir wollen einerseits Messbarkeit schaffen, andererseits die Nutzung des städtischen Raums für alle Beteiligten verbessern.
Das klingt erst einmal sehr positiv. Gibt es dabei nur Gewinner, oder auch Verlierer?
Die Autofahrer:innen müssen sicherlich ein Stück weit umdenken und lieb gewonnene Gewohnheiten ablegen. Die Verteilung des knappen Stadtraums muss neu verhandelt werden. Letztlich profitieren wir aber alle davon, wenn unsere Städte wieder durchatmen können. Als Wahl-Hamburger und studierter Architekt bin ich begeistert, wie gut die Umgestaltung des Ballindamms an der Binnenalster gelungen ist. Seit Ende letzten Jahres gibt es hier viel mehr Platz für Fußgänger:innen und Radfahrende.
Sie gehören also der Radfahrerfraktion an?
In meiner Brust schlagen zwei Herzen (lacht). Tatsächlich habe ich mehrere Fahrräder - gleichzeitig nutze ich bei Bedarf auch das Auto.
Man merkt, dass wir eine gemeinsame Vision verfolgen.
Ihr Unternehmen Ubilabs ist hochspezialisiert, aber mit rund 40 Mitarbeiter:innen vergleichsweise klein. Wie ist es für Sie, mit Telekom IoT zusammenzuarbeiten? Gibt es da auch David-und-Goliath-Momente?
Wir sind ja schon seit Längerem und tatsächlich sehr gern für die Telekom tätig. Außerdem haben wir auch mit anderen Großkunden sehr gute Erfahrungen gemacht. Der Austausch mit meinem Projektpartner und Smart City Experte Oliver Stumm von Telekom IoT findet immer auf Augenhöhe statt. Da ticken wir ähnlich wie unsere Technologien: Oliver ist die Hardware, ich bin die Software (lacht) – die ja auch permanent miteinander kommunizieren. Man merkt, dass wir eine gemeinsame Vision verfolgen und beide großes Interesse daran haben, das Beste aus dem Projekt und den vorhandenen Daten herauszuholen.
Welches sind die größten Herausforderungen dabei?
Die Aufgabe von Ubilabs besteht darin, Pipelines aufzubauen, die riesige Datenmengen in Echtzeit skalieren. Da braucht es viel technisches Fingerspitzengefühl. Außerdem geht es darum, die Tools und Dashboards für die unterschiedlichen Anwender:innen quasi maßzuschneidern und ihnen die optimale User Experience zu geben. Unsere Nutzer beim Parkraumdaten-Projekt sind Städte und Kommunen, die wir im Laufe der Zeit immer besser kennen lernen und dadurch auch besser beraten können. Das ist herausfordernd, weil wir ständig Neuland betreten, macht aber auch viel Spaß. Zudem sind dies wertvolle Erfahrungen, die sich auf die nächsten Städte und Gemeinden übertragen lassen.
Welche Vorteile bieten Sie Ihren Anwender:innen?
Die Tools, die es bisher für Parkraumdaten gab, waren schwergängig und wenig benutzerfreundlich. Ubilabs hat einen explorativen Ansatz entwickelt, der näher an den Anwender:innen ist. Damit wollen wir unsere Kunden und Kundinnen dazu befähigen, regelrecht in Daten zu wühlen, ohne dass sie IT-Experten sind. Beim gemeinsamen Blick mit den Kund:innen aufs Dashboard ergeben sich erfahrungsgemäß die besten Lösungen.
Wie sehen die nächsten Schritte des Projekts aus?
In den nächsten Iterationen sollen Analysen historischer Daten, Vorhersagen oder auch Tourenplanungen für das Parkraummanagement dazukommen. Außerdem lassen sich die Daten anreichern, zum Beispiel mit Informationen zum Wetter. Sämtliche Szenarien entstehen in enger Zusammenarbeit mit der Telekom und unseren Anwender:innen. Den Möglichkeiten sind dabei kaum Grenzen gesetzt.
Jens Wille, Architekt und Stadtplaner, ist einer der drei Geschäftsführer von Ubilabs. Die Experten für Data & Location Technology unterstützen Unternehmen, die die Zukunft der Mobilität, dem Leben in Städten und einer nachhaltigen Entwicklung gestalten. Hierzu bieten sie ein integriertes Portfolio aus Beratung, Software-Entwicklung, Visualisierung sowie Data Management. Aktuell beschäftigt Ubilabs 43 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg, München und San Francisco, die insgesamt mehr als 100 Fahrräder besitzen.
Dieser Artikel erschien auch auf dem Urban-Mobility-Blog der Telekom.